Eine BaFin-Regulatory Sandbox für die deutsche Versicherungsaufsicht
Notwendig und, wenn ja, zulässig?
Zusammenfassung
Die Digitalisierung führt auch in der Versicherungswirtschaft zu neuen, technologiebasierten Geschäftsmodellen. Der Umgang mit diesen erfordert eine ausgewogene Abwägung der potenziellen Vorteile mit den möglichen Risiken für Verbraucher, Investoren und die Funktionsfähigkeit und Stabilität des gesamten Finanzsystems. Finanzdienstleistungsaufsichtsbehörden weltweit haben dies erkannt und reagieren mit unterschiedlichen Aufsichtsstrategien auf die Digitalisierung. Dominierend sind sogenannte Regulatory Sandbox-Lösungen, die es ermöglichen, bestimmte Geschäftsmodelle unter Aufsicht der Aufsichtsbehörde zu testen, und sogenannte Innovation Hub-Lösungen, die vor allem eine spezifische aufsichtsbehördliche Beratung erlauben. Der Verfasser untersucht für die Versicherungsaufsicht, ob es notwendig ist, dass die deutsche Finanzdienstleistungsaufsichtsbehörde, BaFin, in Ergänzung zu Ihrer Innovation Hub-Lösung eine Regulatory Sandbox einführt, um eine funktionierende Aufsichtstätigkeit und den Schutz der Interessen der Versicherungsnehmer sowie des deutschen Versicherungsmarkts als solchen gewährleisten zu können. Zu diesem Zweck vergleicht der Verfasser am Beispiel eines hypothetischen Angebots eines Telematiktarifs in der PKV die deutsche Innovation Hub-Lösung mit der britischen Pionier-Regulatory Sandbox-Lösung der Financial Conduct Authority (FCA) hinsichtlich der Frage, welcher Ansatz sich besser dazu eignet, bestehende Rechtsunsicherheiten zu verringern und das aufsichtsbehördliche Innovationsverständnis zu verbessern. Im Anschluss an die Untersuchung der Notwendigkeit der Einführung einer BaFin-Regulatory Sandbox für die Versicherungsaufsicht untersucht der Verfasser ferner, ob eine solche Einführung de lege lata oder zumindest de lege ferenda zulässig wäre. Das Werk zielt darauf ab, die Diskussion um das Instrument der Regulatory Sandbox im Versicherungsaufsichtsrecht, aber auch im Wirtschaftsaufsichtsrecht insgesamt zu befruchten und richtet sich gleichermaßen an Praktiker und Wissenschaftler mit Bezug zum Versicherungs- und Wirtschaftsaufsichtsrecht.
Schlagworte
- Kapitel Ausklappen | EinklappenSeiten
- V–XXXI Titelei/Inhaltsverzeichnis V–XXXI
- 1–6 Einleitung 1–6
- 7–20 Kapitel 1 BaFin-Innovation Hub und FCA-Regulatory Sandbox – Hintergründe und Funktionsweisen 7–20
- A. BaFin-Innovation Hub
- B. FCA-Project Innovate und die FCA-Regulatory Sandbox
- I. Bewerbung
- II. Auswahlprozess
- III. Testvorbereitung
- IV. Testphase
- V. Testende und Evaluierung
- 21–108 Kapitel 2 Telematiktarife in der PKV – Funktionsweise, Chancen, Risiken und rechtliche Unsicherheiten 21–108
- A. Funktionsweise von Telematiktarifen in der PKV
- B. Chancen von Telematiktarifen in der PKV
- I. Transparentere Prämienkalkulation
- II. Reduzierte Prämien durch Telematiktarif
- III. Attraktive Prämiengestaltung für bisher Unversicherte
- IV. Erweiterung des Kundenbestandes des Versicherers
- V. Verbessertes Kundenerlebnis bei der Schadensregulierung
- VI. Kostenreduzierung beim Versicherer
- VII. Generelle Prämienreduzierung im Risikokollektiv
- VIII. Größeres Produktangebot
- IX. Krankheitsprävention
- X. Stärkung des Versicherungsmarktes
- C. Risiken von Telematiktarifen in der PKV
- I. Verkomplizierung der Prämienkalkulation
- II. Finanzieller Aufwand für Chance auf Prämienreduktion
- III. Erhöhtes Risiko der adverse selection
- IV. Steigende Prämien in klassischen Tarifen
- V. Preisdiskriminierung innerhalb eines Telematiktarifs
- VI. Beschränkung der Wahlfreiheit des Versicherungsnehmers
- D. Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Angebots von Telematiktarifen in der PKV
- I. Bestehende Rechtsunsicherheit in Deutschland
- 1. Grundlagen der Versicherungsaufsicht
- a) Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern
- b) Ziele der Versicherungsaufsicht
- c) Aufgaben der BaFin
- 2. Aufsichtsbefugnisse der BaFin
- a) §§ 298 Abs. 1 Satz 1, 294 Abs. 2 Satz 2VAG
- aa) Gesetzlicher Missstandsbegriff
- bb) Bestehen oder Gefahr eines Missstandes
- cc) Befugnisse bei Bestehen oder der Gefahr eines Missstandes
- dd) Notwendige Einschränkung der Eingriffsbefugnisse
- (1) Wortlaut
- (2) Sinn und Zweck
- (3) Systematik
- (4) Keine Begrenzung durch einen Recast-Ansatz
- (5) Zwischenergebnis
- b) Aufsichtsbefugnisse nach § 4 Abs. 1a Satz 2 FinDAG
- 3. Rechtsunsicherheit mit Blick auf Telematiktarife in der PKV
- a) Gleichbehandlungsgebot, §§ 146 Abs. 2 Satz 1, 138 Abs. 2 VAG
- b) Grundlagen der Prämienkalkulation, § 146 Abs. 1 Nr. 1 VAG
- c) Prämienanpassung, §§ 155, 160 VAG, § 203 Abs. 2 VVG
- d) Gesetzliches Leitbild der freien Lebensgestaltung, §§ 194 ff. VVG
- aa) Bestehen eines gesetzlichen Leitbilds der freien Lebensgestaltung
- bb) Widerspruch beim Angebot eines Telematiktarifs
- 4. Zwischenergebnis
- II. Bestehende Rechtsunsicherheit in Großbritannien
- 1. Twin peak system of regulation
- 2. Aufsichtsbefugnisse der FCA
- a) Allgemeine Aufsichtsbefugnis nach § 1L FSMA
- aa) Aufsichtsansatz der FCA
- bb) Aufsichtliche Maßnahmen bei erkanntem Missstand
- cc) Anforderungen an den Geschäftsbetrieb
- b) Besondere Aufsichtsbefugnisse
- 3. Rechtsunsicherheit mit Blick auf Telematiktarife in der PKV
- a) Transparentes, verständliches und faires Angebot
- aa) Unzureichende Transparenz und Verständlichkeit
- (1) Funktionsweise der Telematikabrede
- (2) Vorteile, Ausschlüsse und Kündigungsmöglichkeiten
- (3) Kommunikationsweg
- bb) Beratung des Versicherungsnehmers
- cc) Unfaire Ausgestaltung der Telematikabrede
- (1) Prämienanpassung
- (2) Änderung der Berechnungsmethode
- (3) Benachrichtigung bei nachteiliger Prämienanpassung
- (4) Kündigungsmöglichkeiten
- (a) Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers
- (b) Kündigungsrecht des Versicherers
- b) Unangemessene post sales barriers
- 4. Zwischenergebnis
- 109–144 Kapitel 3 Vergleich von BaFin-Innovation Hub und FCA-Regulatory Sandbox 109–144
- A. BaFin-Innovation Hub
- I. Verbesserung des Innovationsverständnisses
- II. Verringerung der Rechtsunsicherheit
- 1. Allgemeine Informationen
- 2. Spezifische Veröffentlichungen zum Thema Digitalisierung
- 3. Kontaktformular für Unternehmensgründer und Fintechs
- a) Inhaltliche Limitierung
- b) Limitierung durch die Ausgestaltung
- c) Limitierung durch allgemeine Aufsichtspraxis der BaFin
- III. Zwischenergebnis
- B. FCA-Regulatory Sandbox
- I. Erfolgreiche Bewerbung
- 1. Formelle Zulässigkeit der Bewerbung
- 2. Adressierung des britischen Marktes
- 3. Gänzlich neue Innovation oder wesentliche Unterscheidung von bereits existierenden Angeboten
- 4. Erkennbare Chance für Verbrauchernutzen
- a) Chancen für den Versicherungsnehmer und den Wettbewerb
- b) Risiken und Nachteile für den Versicherungsnehmer
- c) Abwägung der Chancen und Risiken
- 5. Bedarf für Test in der Regulatory Sandbox
- 6. Bereitschaft zum Test
- 7. Zwischenergebnis
- II. Verbesserung des Innovationsverständnisses
- III. Verringerung der Rechtsunsicherheit
- IV. Zwischenergebnis
- C. Bessere Möglichkeiten in der FCA-Regulatory Sandbox
- I. Verbesserung des Innovationsverständnisses
- II. Verringerung der Rechtsunsicherheit
- III. Zwischenergebnis
- D. Verallgemeinerungsfähigkeit der Ergebnisse
- E. Ergebnis zu Kapitel 3
- 145–192 Kapitel 4 Notwendigkeit und Ausgestaltung einer BaFin-Regulatory Sandbox 145–192
- A. Wirkungsweise einer BaFin-Regulatory Sandbox
- I. Erfolgreiche Bewerbung
- II. Verbesserung des Innovationsverständnisses
- III. Verringerung der Rechtsunsicherheit
- IV. Verallgemeinerungsfähigkeit der Ergebnisse
- V. Zwischenergebnis
- B. Vorteile einer BaFin-Regulatory Sandbox
- I. Signalwirkung innovationsfreundlicher Aufsicht zur Stärkung des deutschen Versicherungsmarktes
- 1. Signalwirkung innovationsfreundlicher Aufsicht
- 2. Stärkung des deutschen Versicherungsmarktes
- 3. Zwischenergebnis
- II. Sicherstellung einer funktionierenden Aufsicht
- 1. Unmittelbarer Schutz der Versicherungsnehmer
- a) Chancen durch eine BaFin-Regulatory Sandbox
- b) Keine vergleichbaren Möglichkeiten im BaFin-Innovation Hub
- c) Zwischenergebnis
- 2. Auf Finanzinnovationen eingestellte Verwaltungspraxis
- a) Chancen durch eine BaFin-Regulatory Sandbox
- b) Keine vergleichbaren Möglichkeiten im BaFin-Innovation Hub
- c) Zwischenergebnis
- III. Innovationsförderung zugunsten der Versicherungsnehmer
- 1. Unmittelbare Innovationsförderung
- a) Chancen durch eine BaFin-Regulatory Sandbox
- aa) Innovationsförderung
- bb) Vorteile für den Versicherungsnehmer
- b) Keine vergleichbaren Möglichkeiten im BaFin-Innovation Hub
- 2. Mittelbare Innovationsförderung
- a) Chancen durch eine Regulatory Sandbox
- aa) Innovationsförderung
- bb) Vorteile für den Versicherungsnehmer
- b) Keine vergleichbaren Möglichkeiten im BaFin-Innovation Hub
- IV. Zwischenergebnis
- C. Entgegenstehende Risiken einer Regulatory Sandbox
- I. Risiken von Regulatory Sandboxes
- 1. Deregulierung des Versicherungsmarktes
- 2. Eindruck der Deregulierung aus Sicht der Versicherungsnehmer
- 3. Eindruck der Risikofreiheit getesteter Produkte
- 4. Ressourcenaufwand und erforderliches Fachwissen
- 5. Wettbewerbsverzerrung durch fehlendes level playing field
- 6. Unangebrachte Sympathie für innovative Versicherer
- II. Möglichkeiten, den Risiken zu begegnen
- 1. Deregulierung des Versicherungssektors
- 2. Eindruck der Deregulierung aus Sicht der Versicherungsnehmer
- 3. Eindruck der Risikofreiheit getesteter Produkte
- 4. Ressourcenaufwand und erforderliches Fachwissen
- 5. Wettbewerbsverzerrung durch fehlendes level playing field
- 6. Unangebrachte Sympathie für innovative Versicherer
- 7. Zwischenergebnis
- D. Ausgestaltung einer BaFin-Regulatory Sandbox
- I. Organisatorische Ausgestaltung
- II. Inhaltliche Ausgestaltung
- 1. Zielsetzung der BaFin-Regulatory Sandbox
- 2. Bewerbung
- 3. Auswahlprozess
- 4. Testvorbereitung
- 5. Testphase
- 6. Testende und Evaluierung
- E. Ergebnis zu Kapitel 4
- 193–260 Kapitel 5 De lege lata – Unzulässigkeit einer BaFin-Regulatory Sandbox 193–260
- A. Handlungsmöglichkeiten zum Betrieb einer Regulatory Sandbox
- I. Auswahlprozess und Testvorbereitung
- 1. Verwaltungsakt
- 2. Öffentlich-rechtlicher Vertrag
- II. Testphase
- 1. Testbegleitung und laufender Austausch
- 2. Informelle Information und individuelle Beratung
- 3. Missstandsduldung durch Zusage oder Zusicherung
- a) §§ 298 Abs. 1 Satz 1, 294 Abs. 2 Satz 2 VAG
- b) § 4 Abs. 1a Satz 2 FinDAG
- c) Allgemeine Missstandsduldung
- III. Testende
- IV. Zwischenergebnis
- B. Anpassung der Organisationsstruktur der BaFin
- C. Etablierung der Regulatory Sandbox als Verwaltungspraxis
- D. Gesetzliche Unzulässigkeit einer BaFin-Regulatory Sandbox
- I. Zielsetzung der Versicherungsaufsicht
- II. Ziel der Herstellung von Aufsichtskonvergenz
- 1. Kein Verstoß durch Einführung als solche
- 2. Kein Widerspruch aufgrund individueller Ausgestaltung
- III. Rechtsnatur der deutschen Versicherungsaufsicht
- IV. Ungerechtfertigte Grundrechtsbeschränkungen
- 1. Eigentumsfreiheit, Art. 17 Abs. 1 GrCh
- a) Keine Beschränkung bei nicht zugelassenen Bewerbern
- b) Keine Beschränkung bei Konkurrenzunternehmen
- 2. Unternehmerische Freiheit, Art. 16 GrCh
- a) Keine Beschränkung beim zugelassenen Versicherer
- b) Keine Beschränkung beim nicht zugelassenen Bewerber
- c) Ungerechtfertigte Beeinträchtigung der Konkurrenzversicherer
- aa) Mittelbare Grundrechtsbeschränkung
- bb) Fehlende Ermächtigungsgrundlage zur Rechtfertigung
- (1) Erfordernis eines formellen Parlamentsgesetzes
- (2) Inhaltliche Anforderungen
- (a) Allgemeiner Maßstab
- (b) Eingriffsverwaltung
- (c) Leistungsverwaltung
- (d) Anforderungen an die BaFin-Regulatory Sandbox
- (3) Fehlen einer solchen Ermächtigungsgrundlage
- (a) § 294 Abs. 2 Satz 1 VAG
- (b) §§ 298 Abs. 1 Satz 1, 294 Abs. 2 Satz 2VAG
- (c) § 4 Abs. 1a Satz 2 FinDAG
- cc) Zwischenergebnis
- 3. Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 20 GrCh
- a) Vergleichbare Sachverhalte
- b) Ungleichbehandlung
- c) Benachteiligung
- d) Rechtfertigung
- aa) Verfolgung eines legitimen Ziels
- (1) Zulassung zur BaFin-Regulatory Sandbox
- (2) Nichtzulassung zur BaFin-Regulatory Sandbox
- bb) Maßnahme zur Erreichung des Ziels geeignet
- (1) Zulassung zur BaFin-Regulatory Sandbox
- (2) Nichtzulassung zur BaFin-Regulatory Sandbox
- cc) Erforderlichkeit der Maßnahmen
- (1) Zulassung zur BaFin-Regulatory Sandbox
- (a) BaFin-Innovation Hub
- (b) Unterstützung nach Beispiel des FCA-Innovation Hub
- (c) Keine anderen milderen Maßnahmen
- (2) Nichtzulassung zur BaFin-Regulatory Sandbox
- dd) Angemessenheit
- (1) Ungleichbehandlung der Konkurrenzversicherer
- (2) Ungleichbehandlung nicht zugelassener Bewerber
- e) Zwischenergebnis
- 4. Zwischenergebnis
- E. Ergebnis zu Kapitel 5
- 261–272 Kapitel 6 De lege ferenda – Zulässigkeit einer BaFin-Regulatory Sandbox 261–272
- A. Ungerechtfertigte Beschränkung der unternehmerischen Freiheit
- I. Verhältnismäßigkeit
- II. Wesensgehaltsgarantie
- III. Zwischenergebnis
- B. Rechtsnatur der deutschen Versicherungsaufsicht
- C. Gesetzgebungskompetenz
- D. Normierung der BaFin-Regulatory Sandbox
- I. Anforderungen an die Normierung
- II. Formulierungsvorschlag
- E. Ergebnis zu Kapitel 6
- 273–278 Kapitel 7 Fazit und Ausblick 273–278
- 279–290 Literaturverzeichnis 279–290
- 291–292 Gesetzesmaterialien 291–292